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28.06.2006

DR. WATSON Reportage

Mmmuhh: Feine Kräutlein für gesunden Käse
Joachim E. Röttgers / Graffiti

Käse fürs Herz

Functional Food von der Alm

Jetzt im Sommer grasen sie wieder hoch droben auf der Alm, die Kühe in den Bergen. Dort finden sie ein ganz besonderes Futter. Das gibt einen besonders gesunden Käse - mit den berühmten Omega-3-Fetten. Die sind gut fürs Herz und fürs Gehirn.

Morgens um sieben steht Teresa vor der Tür. Die Kuh war die ganze Nacht über zum Grasen auf dem Berg, hoch droben auf dem Walighörnli in knapp 2000 Metern Höhe. Jetzt kommt sie zurück in den Stall, und nach ihr trotten die andern 41 Kühe aus der Herde.

Manche fängt der Senn, Roland Zahler, mit dem Motocross-Motorrad ein, andere muss die Sennerin, seine Frau Annemarie, noch kurz vor dem Stall in die richtige Richtung lotsen. "Komm, Sara, komm, hopp, hopp".

Auf der Alp Hintere Walig, hoch über Gstaad, dem mondänen Schweizer Urlaubsdorf, machen sie Käse wie vor Jahrhunderten. Ihre drei Kinder, Antoinette, 16, William, 14, und Tobias, 13, helfen mit.

Die Alp ist eine hölzerne Hütte, mit roten Wellblech gedeckt. Eine Straße führt hier nicht herauf, nur ein steiler Feldweg. Die Alp hier droben produziert einen besonders gesunden Käse.

Das hat die Gstaader Ärztin Christa Hauswirth untersucht. Ihre Erkenntnisse waren so bedeutend, dass sie sogar in der Zeitschrift Circulation veröffentlicht wurden, dem renommierten Organ der American Heart Association.

Denn der Käse von der Alm enthält besonders viele sogenannte Omega-3-Fette. Die sind gut für Herz und Kreislauf, auch für die Knochen und die Augen, vor allem aber auch Gehirn und Intelligenz, ja sogar für Verhalten und Psyche.

Bei den meisten Menschen aber hapert es an der Omega-3-Versorgung. 80 Prozent der Amerikaner sollen schon unter Omega-3-Mangel leiden. Ein Mangel an diesen Fetten fördert die Alzheimer-Krankheit sowie Hyperaktivität bei Kindern.

Wenn sie mehr von diesen Fetten verzehren würden, wären die Menschen glücklicher, glaubt Andrew Stoll,Psychiatrieprofessor an der Harvard Universität im US-Bundesstaat Massachusetts: "Ein erhöhter Omega-3-Anteil in unserer Ernährung könnte bewirken, dass Depressionen und andere psychiatrische Erkrankungen seltener vorkommen". Bei manisch-depressiven Patienten jedenfalls besserte sich das Befinden durch Omega-3-Gaben deutlich.

Bisher empfehlen Experten Fisch. Doch der Käse von der Alm enthält die begehrten Omega-3-Fette durchaus in vergleichbaren Mengen: "Eine Fondue-Portion, das sind etwa 200 Gramm Käse, enthält etwa gleich viel Omega-3-Fettsäuren wie eine Fischmahlzeit", sagt die Almkäse-Expertin Hauswirth.

Was in der Schweiz Alpkäse genannt wird, ist ausschließlich Käse aus der Milch, die droben auf der Alm gemolken wird. Im Tal fressen die Kühe, wie überall auf der Welt, den üblichen Kraftfutter-Mix. Das gibt viel Milch - aber leider nur halb so viel Omega-3-Fett wie bei der Milch von der Alm.

Das "Agribusiness" sei deshalb für den Rückgang der Fettqualität verantwortlich, meint Artemis P. Simopoulos, Präsidentin des Center for Genetics, Nutrition and Health in der US-Haupstadt Washington D.C "Die moderne Landwirtschaft mit ihrem Schwerpunkt auf den Produktionsmengen hat den Omega-3-Gehalt in vielen Lebensmitteln vermindert." Das gilt für Fleisch, Milch, Eier und Geflügel, ja sogar den Fisch aus industriellen Aqua-Kulturen.

Doch auch Milch und Käse aus dem Tal könnten mehr von den feinen Omega-3-Fetten enthalten. Das ergab jedenfalls eine Studie an der Universität von Weihenstephan, die jetzt von einer Greenpeace-Untersuchung bestätigt wurde. Man müsste die Kühe nur anders füttern. Der bayrische Agrarwissenschaftler Daniel Weiß kennt das Rezept: "Am wichtigsten ist, dass die Kühe Gras fressen." Sagt Weiß.

Der "Graseffekt" sei größer als der "Bergeffekt", meint auch Martin Scheeder, Veterinär am Institut für Nutztierwissenschaften der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Und: "Wenn man naturnäher füttert, ist man auf der besseren Seite".

Natürlich bleibt der Käse der nachtaktiven Kühe von den Alpen dennoch etwas Besonderes, meint jedenfalls Molkereileiter Hanspeter Reust aus Gstaad: "Wo kann die Kuh sonst noch die ganze Nacht unterm Sternenhimmel in aller Ruhe Gras fressen - und morgens spaziert sie zum Chalet und wird vom Bauer gemolken."

So wie Teresa. Die ist tagsüber lässig im Stall gelegen und hat wiedergekäut. Abends nach dem Melken kriegt sie wieder Ausgang. Sohn Tobias, 13, im blauen Overall, ermuntert mit dem Stecken zum Aufstieg: "Hoi, hoi, hoi".

Bald geht die Sonne unter, überall auf den Bergen ringsum klingt es dann von Kuhglocken: Nachtschicht für das Käse-Glück.