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09.12.2006

DR. WATSON Kolumne

Fiese Fette: Machen Pommes Brustkrebs?
Joachim E. Röttgers/Graffiti

Deutschland, ein Trans-Fett-Schwellenland?

Von Maike Ehrlichmann

Jetzt mal ehrlich: New York will es in seinen Fastfoodketten verbieten, Englands Supermärkte verbannen es bei ihren Eigenmarken aus allen Keksen, Kartoffelchips, Margarinen, Tütensuppen und Fertigsoßen. Und die Dänen haben sogar schon seit 2003 einen Grenzwert. Für alle Lebensmittel, ob Pölser, Buttercookies oder die legendäre Dänische Remoulade. Alle haben Angst vorm fiesen Trans-Fett. Und was ist mit uns?

Deutschland muss sich keine Sorgen machen, sagen die zuständigen Behörden. Obwohl wir geradezu umzingelt sind von Problemländern in Sachen Trans-Fett, Belgien, Holland, Frankreich. Überall dort haben sie zu viel gefährliches Fett im Essen gemessen.

Trans-Fett, das klingt nach Transsylvanien, der Heimat von Graf Dracula. Das Grusel-Fett ist, da sind sich die Wissenschaftler einig, schädlich fürs Herz. Es erhöht ja das schlechte Cholesterin und sorgt für Entzündungen. Jede Menge aktuelle Studien stärken den Verdacht zu ihren ungesunden Wirkungen: Diabetes wird durch Trans-Fett gefördert, es führt zu Wachstumsstörungen im Kindesalter, das Risiko für Prostata-, Darm- und Brustkrebs steigt. Ja sogar auf's Hirn schlägt's: 'cognitive decline' heißt das im englischen Wissenschafts-Slang, das Denkvermögen leidet. Man wird davon auch dicker als von anderen Fetten, sogar bei gleicher Kalorienzahl, zumindest die Affen, das ergab eine Studie von diesem Sommer.

Was nicht so bekannt ist: Diese unheimlichen Fette gibt es eigentlich gar nicht. Zumindest nicht in der Natur. Sie entstehen nur in der Lebensmittelindustrie, sozusagen aus Versehen, wenn Pflanzenöle zu Margarine, Back- oder Frittierfetten und anderen Fabrikfetten gehärtet werden. Die werden dann in Fertigsoßen und Tütensuppen nicht so schnell ranzig wird und spart Butter in Kuchen und Keksen. In Pommesbuden und Schnellrestaurants hält es sich auch länger, das harte Fett.

Und genau davon essen die Leute, massenhaft und immer mehr. Trotzdem sind wir kein Trans-Fett-Land? Vielleicht ein Trans-Fett-Schwellenland?

Nö, überhaupt nicht. Dr. Ingo Witte, Geschäftsführer des Margarine-Institutes in Bonn, meint jedenfalls, "dass wir in Deutschland heute kein 'Transproblem' haben". Und bezieht sich auf Prof. Hans Steinhart aus Hamburg. Der steht der Branche nahe, kooperiert laut Homepage mit Unilever (Rama, Lätta, becel).

1997 kam er bei einer Studie zu dem Schluss, dass wir gar nicht so viel Trans-Fett essen. Dafür hat er eine überschaubare Summe von 139 Lebensmitteln untersucht: darunter ein paar Trans-Fett-Klassiker wie Chips, Pommes, Butterkuchen, Hollandaise und Margarine. Und dazu aber neunmal Fisch, sogar elf verschiedene Wurstarten plus zwanzig Sorten Käse.

Merkwürdiger Mix. Was hat der harmlose Käse bei unseren fiesen Fabrikfetten zu suchen?

Professor Steinhart ist Chemiker. Der Chemiker benennt Stoffe nach ihrer Struktur. Und tatsächlich gibt es in der Milch von Natur aus Fette, die er auch Transfette nennen darf. Nur wirken die ganz anders als Fabrikfette, sind wahrscheinlich sogar gesund. Man kann sie also nicht in einen Topf werfen.

Das findet eigentlich auch das Bundesinstitut für Risikobewertung, die höchste deutsche Instanz für Gesundheitsgefahren durch Lebensmittel. Es meint, dass sich "Trans-Fettsäuren aus dem Fett von Wiederkäuern, insbesondere Milchfett" im Vergleich zu den industriellen Trans-Fettsäuren "unterschiedlich auf die Risikoparameter im Blut auswirken".

Werden wir also krank durch Transfett? Dazu müssten wir wissen, wieviel gefährliches Transfett wir essen? Das könnten die Leute von der Nationalen Verzehrsstudie II mit untersuchen. Die gucken doch ohnehin gerade, was bei den Deutschen auf den Tisch kommt. Sie könnten das schon ausrechnen, sagen die Wissenschaftler. Sie müssten dann nur wissen, wieviel Transfett drin ist in Keksen, Pommes und dergleichen. Und da gehe es um tausende von Lebensmittel. Dafür bräuchten sie die Daten von der Industrie und die gibt ihre Rezepte nicht gern raus.

Schade eigentlich.

Aber wir können ja nach Dänemark auswandern. Zu grenzwertgeschütztem Smörebröd und Remoulade.